Krakau
Gemeinsam Geschichte erleben – Der Weg einer Annäherung von deutschen und polnischen Schülern
Wie alles begann ....
Im Schuljahr 2013 gründeten wir, Frau Siemon und Frau Seiler, eine AG „Polenaustausch“, um Schülerinnen und Schüler auf eine Polenreise im Rahmen von Comenius zum Thema „Energiewende“ vorzubereiten. Im Sommer dieses Jahres nahmen neun Gastländer befreundeter Partnerschulen am Comenius-Projekt in Lollar teil. Der Gegenbesuch fand im Herbst 2013 in Wloclawek/Polen statt, einer Stadt mit fast 1000-jähriger Geschichte.
Doch wie kam es zur Fortsetzung einer Begegnung zwischen deutschen und polnischen Schülern? Im Rahmen des WPU-Kurses „Geschichtswerkstatt“ von Frau Seiler wurde von Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe der Wunsch geäußert, ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zu fahren. Nach intensiver Vorbereitung auf diese Studienfahrt unter dem Motto „Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“ konnte es im Juni 2014 endlich losgehen.
Auf dieser sechstägigen Reise nach Krakau, davon drei Tage in Auschwitz, beschäftigten sich insgesamt zwölf Schülerinnen und Schüler (acht Schüler der Mittelstufe, vier Schüler der Oberstufe) mit verschiedenen Themen. Ein Höhepunkt war sicherlich die Archivarbeit im KZ-Archiv von Auschwitz sowie die Zeitzeugenbegegnung mit dem ehemaligen Widerstandskämpfer Prof. Dlugoborski.
Dieser Besuch machte auf die Schülerinnen und Schüler so großen Eindruck, dass wir die Ergebnisse anlässlich des bevorstehenden 70. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (27. Januar 2016) der Schulgemeinde und der breiten Öffentlichkeit in Form einer zwölfwöchigen Ausstellung präsentierten. Es war wunderbar zu sehen, wie engagiert die beteiligten Schülerinnen und Schüler bei den Führungen zur Ausstellung waren und teilweise auch über sich selbst hinausgewachsen sind und das Erlebte sie bis heute geprägt hat. Diese Schülerinnen und Schüler werden sich sicherlich nicht von Stereotypen und rechtsextremem Gedankengut beeinflussen lassen.
Nach diesem großen Erfolg mit der Projektarbeit entstand bei uns die Idee, einen Schüleraustausch mit Polen fest zu etablieren. Frau Siemon gelang nach intensivstem Bemühen die Akquise der neuen Partnerschule „VII Liceum Ogolnoksztalcace“ in Danzig, ein Glückstreffer für unsere Schule, wie sich in den nächsten Jahren herausstellen sollte. Gemeinsam mit den Danziger Kollegen entwickelten wir ein auf zwei Jahre angelegtes historisches Projekt (2015-2017) mit dem Titel „Solidarität in Deutschland und Polen – Der Weg in ein gemeinsames Europa“ durchzuführen. Das Projekt thematisierte die Überwindung der sozialistischen Diktatur in Polen und Ostdeutschland.
Schließlich brachen wir mit zehn hoch motivierten Schülerinnen und Schülern der Klassen 9-12 im Juni 2015 nach Danzig auf und erlebten gemeinsam mit den polnischen Gastgebern eine intensive Woche. Ein Highlight war mit Sicherheit das 2. Zusammentreffen mit Lech Walesa im neu errichteten Museum über die Geschichte der Revolution von 1980-1989 in der Danziger Werft sowie der Besuch des Europäischen Solidaritätszentrums (ECS) in Danzig.
Der Gegenbesuch der polnischen Gäste erfolgte im Herbst 2016 in Lollar. So konnten innerhalb einer Woche am Projekt weitergearbeitet und historisch wichtige Exkursionen unternommen werden, wie z.B. die Studienfahrt zur „Gedenkstätte Point Alpha“, ins Haus der Geschichte nach Bonn, zur Stasizentrale in Leipzig und einer Stasi-Ausstellung im Uni-Hauptgebäude in Gießen.
Schließlich konnten wir auf der Grundlage der gemeinsam erarbeiteten Materialien wir im Oktober 2017 die Ergebnisse der zweijährigen Projektarbeit in einer umfangreichen präsentieren.
Nach der neuen Schulreform in Polen 2018 wurden die Gymnasien im Land abgeschafft und es ergab sich die Notwendigkeit eines „Kurswechsels“. Nur ungern trennten wir uns von der Danziger Partnerschule. Nach langer Suche konnten wir mit dem Oberstufengymnasium „16. Lyzeum Ogolnoksztalcace“ in Krakau eine neue Schulpartnerschaft besiegeln.
Dies sollte sich als großartige Entscheidung erweisen. Die neue Schule, die sehr sympathische Schulleiterin, Lehrer und Schüler waren uns schnell ans Herz gewachsen. Das erste Zusammentreffen fand mit zehn Schülerinnen und Schülern aus Lollar (Klassen 10-13) vom 12.-19. September 2019 in Krakau statt. Das Thema unseres ersten gemeinsamen Projektes lautete „25 Jahre Schindlers Liste – deutsche und polnische Schüler in Krakau auf historischer Spurensuche“.
Zu den besonderen Highlights des Programmes zählten der Besuch der Emaille-Fabrik von Oskar Schindler, die Ganztagesexkursion ins Konzentrationslager Auschwitz und der Besuch des Jüdischen Comunity Centre (JCC) sowie die Besichtigung des Wawels (Königsschloss) und des Salzbergwerkes in Wieliczka.
In der Abschlussreflexionsrunde in Krakau äußerten sich alle Beteiligten begeistert über das erfolgreich verlaufene Projekt und formulierten den Wunsch, diese Art des Austausches mit historischem Schwerpunkt für die Zukunft beibehalten zu wollen. Den Schülerinnen und Schülern galt ein großes Lob der polnischen Schulleiterin und allen Lehrern für ihr außerordentliches historisches Interesse, ihre unglaubliche Arbeitsdisziplin und die Bereitschaft, die ganze Woche auf Englisch miteinander zu kommunizieren.
In besonderer Erinnerung wird uns diese großartige Begegnung bleiben, vor allem die sehr herzliche und vollkommen unkomplizierte polnische Gastfreundschaft, die beeindruckenden Impressionen der Stadt Krakau und der sie umgebenen Landschaft sowie die zutiefst berührenden und zugleich aufwühlenden Momente im KZ Auschwitz.
Die persönliche Begegnung zwischen deutschen und polnischen Schülern und Lehrern hat in jedem Fall durch die Auseinandersetzung mit der dt.-polnischen Geschichte ein Stück weit zu einem gewachsenen Verständnis füreinander und zum Abbau von Stereotypen beitragen können.
Wie schade, dass der Gegenbesuch unserer polnischen Gäste durch die Pandemie durch Covid 19 abgesagt werden musste. Wir werden alles daran setzten, diese wunderbare Zusammenarbeit und den Austausch sobald wie möglich nachzuholen, um unsere entstandene Freundschaft weiter zu festigen!
Wir möchten uns für die kontinuierliche Unterstützung durch das deutsch-polnische Jugendwerk in Warschau und Akquise von Sponsoren durch Herrn A. Keller herzlich bedanken. Des Weiteren danken wir der Schulleitung und Kolleginnen und Kollegen der CBES:
H. Dietrich, M. Eckert, I. Fuchs mit dem Bibliotheksteam, A. Hock, A. Keller, M. Kühn sowie unsren polnischen Kolleginnen und Kollegen M. Kozak-Zasadni, G. Siwor, T. Sowa und K. Staniszewska-Kogut.