Lollarer Oberstufenschüler der CBES erkunden eine Woche Krakau und Umgebung
Eine Woche Krakau und Umgebung liegen hinter fünf Schülerinnen und zwei Schülern der Clemens-Brentano-Europaschule aus Lollar. Begleitet von den Geschichtskolleginnen Elzbieta Siemon und Maria Seiler sowie dem Schulleiter Andrej Keller waren die Oberstufenschüler auf einer interessanten Reise in die deutsch – polnische Vergangenheit. Aber auch auf einer Reise in die wunderschönen und gebirgigen Landschaften südlich von Krakau.
Seit Januar 2019 besteht die Schulpartnerschaft zwischen dem 16. Lyzeums der Stadt Krakau und der Lollarer Schule. Auch wenn es immer wieder Begegnungen zwischen den Lehrkräften beider Schulen gab, so konnte doch bisher wegen der Coronapandemie nur eine Fahrt im Spätsommer 2019 nach Polen stattfinden. Endlich war es wieder soweit und eine kleine, interessierte Gruppe startete mithilfe der wichtigen finanziellen Unterstützung durch das europäische Programm Erasmus+ nach Südpolen.
Beide Schulen hatten sich 2019 zum Ziel gesetzt, den Austausch stets mit historisch – politischen Arbeiten vor Ort zu verbinden. In diesem Jahr beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler mit der Frage, was es bedeutet, wenn fundamentale Menschenrechte abwesend sind und wie der schmerzhaften deutsch-polnischen Vergangenheit erinnert wird, aber auch wie eine Region sich klimafreundlich und ressourcenschonend dem Tourismus öffnen kann. Die polnischen Gastgeber aus Krakau hatten zu diesen Punkten ein anspruchsvolles und vor allem höchst interessantes wie auch abwechslungsreiches Programm entwickelt.
Die Umsetzung des Geplanten forderte den Lollarer Schülerinnen und Schüler und ihren polnischen Austauschschülern in emotionaler wie körperlicher Hinsicht einiges ab. Alles überschattend war dabei der Besuch in Auschwitz – ein wirklich schwieriger Tag für alle Beteiligten. Erschüttert von der menschenverachtenden Brutalität des nationalsozialistischen Vernichtungssystems blieb vielen der Atem stocken. Schweigend und innerlich aufgewühlt verließ man z.B. die Gaskammern oder die Erschießungsstätten, an denen Tausende ihr Leben lassen mussten. Dieser Tag am wohl dunkelsten Ort Europas hing vielen noch lange nach und wird es noch eine Weile tun.
Als sehr eindrücklich empfanden alle das Zeitzeugengespräch mit der Holocaustüberlebenden Anna Janowska, was die Abwesenheit basaler Grundwerte wie Pluralismus, Menschenrechte und Demokratie für mörderische Folgen nach sich ziehen kann. Frau Janowska überlebte als eine der wenigen ihrer Familie den Holocaust. Mit ihrer Mutter und Schwester lebte sie nach der Flucht aus einem Getto unter falscher Identität und der allgegenwärtigen Furcht vor Entdeckung in einem kleinen Dorf südlich von Krakau. Die rüstige 88-jährige Frau nahm sich im jüdischen Museum Krakaus viel Zeit für die Gruppe. Sie referierte, ging auf die vielen von Polen und Deutschen gemeinsam vorbereiteten Fragen ein und posierte abschließend noch sehr geduldig für die unzähligen Wünsche nach einem Selfie.
Am Ende der Begegnungswoche wurde das Thema „Menschenwürde“ unter dem Vorzeichen der Taten Oskar Schindlers – bekannt aus Spielbergs Kinofilm von 1993 – noch einmal neu aufgegriffen. Nach einer Führung durch Oskar Schindlers alte Emaille-Fabrik und durch das jüdische Viertel Krakaus entwickelten die Schülerinnen und Schüler einen Fragebogen zur Person des deutschen Unternehmers. In einer nicht repräsentativen Umfrage befragten sie zufällig vorbeigehende Einheimische wie Touristen zu ihren Kenntnissen über den Holocaust in Krakau im Allgemeinen und im Besonderen, inwieweit Oskar Schindler für die gegenwärtig Lebenden als Vorbild dienen könne. Alle Schülerinnen und Schüler hatten noch nie eine Umfrage durchgeführt und schon gar nicht in einer Fremdsprache. Dennoch zeigten alle viel Freude an diesem Kontakt mit den Krakauern und waren doch mehr als überrascht, über die doch nur rudimentären Kenntnisse vieler Befragten zu den mörderischen Ereignissen während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg.
Ein anderer Schwerpunkt lag in der Erkundung der Region südlich von Krakau. Hier wurden die Schülerinnen und Schüler in dem malerischen Mittelgebirge Pieniny Nationalpark mit der jahrhundertelangen Tradition der Holz- und Forstwirtschaft bekannt gemacht. Highlights gab es hier viele zu bestaunen. Die Kirche des Heiligen Erzengel Michael in Debno, ein UNESCO-Weltkulturerbe, ist zum Beispiel vollkommen aus Holz gebaut und überdauert im Originalzustand seit fast 600 Jahren ohne ausgiebige Restaurationsmaßnahmen Wind, Wetter und vor allem den Menschen und dessen Umweltverschmutzung. Auf einem Erzeugerhof kamen die Lollarer mit typischen südpolnischen Produkten, wie einem besonders salzigen Käse, in Kontakt. Aber ganz besonders in Erinnerung blieb den Schülerinnen und Schülern die jahrhundertealte Tradition der nachhaltigen Forstwirtschaft in Erinnerung. Hierzu gab es einen Museumsbesuch mit Rundgang sowie zur Freude aller eine zweistündige Fahrt auf (scheinbar) alten Flößen auf dem Fluss Dunajec, der die beiden Staaten Polen und Slowakei voneinander scheidet.
Ein weiterer Tag war dem Besuch des Morskie Oko reserviert. Dieser größte und berühmteste See der Tatra brachte alle nicht nur zum Staunen. Nach den vielen Eindrücken der Großstadt Krakau und der Beschäftigung mit schwierigen Themen wie dem Holocaust wirkte sich das Zusammenspiel von Wasser und Hochgebirge wohltuend beruhigend auf deutsche wie polnische Schülerinnen und Schüler aus. Es war der passende Ort zur inneren Einkehr, zum gemeinsamen Abschied nehmen aber auch um die letzten Tage Revue passieren zu lassen. So betonten die Schülerinnen und Schüler in einer gemeinsamen Feedbackrunde: Es war eine wunderbare, intensive und eindrucksvolle Reise. Die deutschen Gäste zeigten sich überwältigt von der Gastfreundschaft und Herzlichkeit der polnischen Gastgeber. Überwältigt waren alle auch von dem dichten und gehaltvollen Programm der polnischen Schule. Es war eine Woche voll schrecklicher deutsch-polnischer Geschichte, die aber eingerahmt war von viel Freundschaft und gemeinsamen Aktionen in wunderschöner Landschaft. Allen wurde in diesen Tagen klar, Demokratie und Freiheit muss besonders in Tagen der äußeren und inneren Bedrohung verteidigt werden. Dem Gift der Abschottung und des Nationalismus ist mit Offenheit, Pluralismus und einem Bekenntnis zum Rechtsstaat zu begegnen. Diese Äußerungen der beiden Gruppen führten am Ende trotz aller Anstrengung auch bei den deutschen und polnischen Lehrkräften zu einer tiefen Befriedigung. „Es hat sich gelohnt, wieder einmal.“, betonte die Lollarer Geschichtskollegin Maria Seiler dann auch folgerichtig.
Zum Abschied flossen auf beiden Seiten viele Tränen. Es wird aber ein Wiedersehen geben – Mitte Juni 2025 werden die polnischen Schüler und Schülerinnen des 16. Lyzeum aus Krakau nach Lollar kommen. Dann soll wieder ein Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Pluralismus auf dem Programm stehen – vielleicht wieder, in dem man sich mit Zeiten beschäftigt, als diese Werte mit Füßen getreten wurden. Aber auch dann werden Spaß und Freundschaft wiederum nicht zu kurz kommen. Allen Lollarern ist jedoch klar, es wird ein schwieriges Unterfangen mit dem intensiven Programm der Krakauer Partnerschule Schritt zu halten.
Abschließend ist dem Erasmus+-Programm und damit der Europäischen Union ein großer Dank auszurichten. Ohne die großzügige finanzielle Unterstützung dieser wichtigen Institution wäre die Fahrt nach Krakau nicht zustande gekommen.