Opfer männlicher Willkürherrschaft aus El Salvador besucht Clemens-Brentano-Europaschule.
Die CBES Lollar freut sich, am 15. März 2023 einen ganz besonderen Gast begrüßen zu können. Teodora del Carmen Vásquez aus El Salvador kommt zu uns.
Im Rahmen des Briefmarathons von Amnesty International haben sich Schüler und Schülerinnen der CBES 2017 für Teodora del Carmen Vásquez aus El Salvador eingesetzt.
Frau Vásquez wurde wegen einer Fehlgeburt im neunten Monat ihrer Schwangerschaft des Mordes beschuldigt und im mittelamerikanischen El Salvador zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Nach zehn Jahren im Gefängnis wurde Frau Vásquez entlassen und nutzt nun ihre Freiheit, um für die Rechte der Frauen, die von einem patriarchalischen System diskriminiert werden, zu kämpfen. Über ihren schockierenden Fall wurde eine Dokumentation gedreht. Diese wird ab 9:40 Uhr für die zehnten und zwölften Klassen der Schule in der Aula gezeigt.
Anschließend – ab 11.30 Uhr – gibt es die Möglichkeit, mit Frau Vásquez persönlich ins Gespräch zu kommen. Dies wird für unsere Schülerschaft ein besonderes Ereignis. Jedes Jahr beteiligt sich die CBES mit Briefen und Unterschriftenaktionen – initiiert von der schuleigenen Amnesty Gruppe und der Kollegin Kirsten Quass – für die Freilassung von politisch Gefangenen auf der ganzen Welt. Am Beispiel von Frau Vásquez zeigt sich, dass ihr Einsatz für die Menschenrechte lohnend sein kann. Schülerinnen und Schüler vermögen auch etwas auf der anderen Seite der Welt zu bewirken. Dies geschieht durch den Druck von Amnesty International zwar öfters, aber selten kommen die Opfer von diktatorischer Gewalt dann auch an eine Schule.
Unterstützt wird die Diskussion von Heike Spohr, Lateinamerika-Kennerin und Expertin von Pro Choice. Weitere Unterstützung erhält die Amnesty-Jugendgruppe der CBES von der “großen” Amnesty-Gruppe aus Gießen, bei der Frau Vásquez am 18. März 2023 zu Gast sein wird. Im Gießener Jokus sind ab 18.00 Uhr alle Interessierten eingeladen, nach Film und Gespräch den Abend mit lateinamerikanischer Kultur ausklingen zu lassen. In Zusammenarbeit mit der Lateinamerika-Gruppe wird es Musik von Francisco Pizarro und Tanz von der Gruppe Pachakusi geben. Gegen Spenden wird im Gießener Jokus auch landestypisches Essen gereicht.
Über einen Besuch Ihrerseits zu der Veranstaltung und eine wohlwollende Berichterstattung würden wir uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrej Keller, Schulleiter der Clemens-Brentano-Europaschule
Im Folgenden sind weitere Informationen zum „Fall“ Teodora del Carmen Vásquez und zur Rechtslage in El Salvador, dessen Abtreibungsrecht zu den strengsten weltweit zählt, angeführt.
Teodora del Carmen Vásquez
© Amnesty International
Nach einer Fehlgeburt wurde Teodora del Carmen Vásquez 2008 wegen „Mordes“ zu 30 Jahren Haft verurteilt, weil man ihr vorwarf, heimlich einen verbotenen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen zu haben. 2018 wurde Teodora nach 10 Jahren endlich auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs aus dem Gefängnis entlassen. Der Oberste Gerichtshof von El Salvador hat ihre Haftstrafe zwar umgewandelt, das Urteil jedoch nicht aufgehoben und auch ihre Unschuld nicht anerkannt.
Am 13. Juli 2007 war Teodora del Carmen Vásquez bei der Arbeit, als sie plötzlich starke Schmerzen spürte. Als die Schmerzen immer stärker wurden, rief sie den Notarzt. Sie verlor das Bewusstsein und erlitt eine Fehlgeburt. Jemand auf ihrer Arbeit rief die Polizei, die sogleich kam und Teodora del Carmen Vásquez unter Mordverdacht festnahm. Man legte ihr Handschellen an und brachte sie erst dann in ein Krankenhaus. Teodora del Carmen Vásquez kommt aus einem ländlichen Gebiet El Salvadors. Ihr 13-jähriger Sohn lebte zurzeit bei seinen Großeltern.
In El Salvador gilt seit 1998 ein absolutes Abtreibungsverbot, auch wenn das Leben oder die Gesundheit der schwangeren Personen in Gefahr ist. Frühgeburten, Totgeburten oder Spontangeburten, bei denen das Kind Schaden erleidet, werden sogar teilweise als schwerer Mord eingeordnet und mit 30 bis 50 Jahren Haft geahndet.
2022 befanden sich in El Salvador mehr als zehn Frauen im Zusammenhang mit unverschuldeten gynäkologischen Notfällen im Gefängnis. Viele von ihnen können sich keinen Rechtsbeistand leisten und müssen eine ungerechte Strafe absitzen. Auch die behandelnden Ärzt*innen werden unter Druck gesetzt: Sie sind verpflichtet, die Frauen bei Verdacht auf einen Schwangerschaftsabbruch der Polizei zu melden, da sie sonst selbst Haftstrafen riskieren.
Im Rahmen der Globale Mittelhessen 2021 wurde ein Film über ihr Schicksal gezeigt.
Inzwischen ist Teodora aus der Haft entlassen und kommt im März nach Deutschland. Die Gießener Gruppe von Amnesty will sie zu einer Veranstaltung einladen.