Kinderhände sind so klein
Am Donnerstagabend, dem 23. Juni 2022, um 20.00 Uhr wurde die Doppelausstellung „Child at Work“ und „Kinder heute“ offiziell in Daubringen für Besucher freigegeben. Die Schülerinnen und Schüler hatten eine Woche zuvor ihre Arbeiten dem Vorstand des Kulturcafes vorgelegt und kurz darauf die Werke installiert. Die außergewöhnlichen Räume erforderten auch eine besondere Besonnenheit bei der Platzierung der Bilder. So musste das Ambiente des Raumes berücksichtigt und eine Auswahl aus etwa 35 Bildern vorgenommen werden, die aber dennoch repräsentativ sein musste.
Zu Beginn begrüßte Herr Müller in Vertretung für Herrn Schreyeck die Gäste sowie die Schülerinnen und Schüler der CBES.
Direktor Andrej Keller griff in seiner Rede zunächst das Angebot zur Kooperation, das kurz zuvor Detlef Hindges von ImPuls in seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung gemacht hatte, auf und versprach eine rege künstlerische Zusammenarbeit. In dem stilvollen Ambiente des Kulturcafes werden zukünftig unterschiedliche künstlerische Aktivitäten stattfinden. So sollen Theaterstücke, Ausstellungen und musikalische Events gemeinsam mit der Clemens- Brentano-Europaschule gestaltet werden.
Nicht nur Detlef Hindges, sondern auch Herr Direktor Keller stellten die Thematik der Bilder in den Fokus ihrer Rede. „Was müssen Kinder alles ertragen“, fragte Andrej Keller, „wie sind sie in den sozialen Netzwerken gefangen und wer beutet sie eigentlich schamlos aus? Die Schülerinnen und Schüler des Orientierungs- und Leistungskurses Kunst haben sich intensiv und kritisch mit verschiedenen Bereichen beschäftigt und sehr gute Ergebnisse erzielt“, so Keller.
Ausbeutung und Ungerechtigkeit kennen keine Lockdowns oder Pandemien, sie sind allgegenwärtig, entziehen sich aber häufig unserem direkten Blick. Etwa 125 Jahre nach Jacob Riis’s und Lewis Wickes Hine’s fotojournalistischen Arbeiten gegen die Kinderarbeit in den USA, sehen wir auf der ganzen Welt wieder Kinder die ausgebeutet und ausgenutzt werden.
Ob in Kriegen, als Kindersoldaten oder in der Herstellung und der Produktion von Waren für den globalen Markt, Kinder sind billige Arbeitskräfte, fragen nicht nach ihren Rechten, fordern diese auch nicht ein, dienen dem Raubtierkapitalismus oder drehen am „Konsumrad“.
Wie leben Kinder heute, welche übertriebenen Auswüchse zeigt aktuell unsere Wirtschaftsform des „freien“ Marktes, das hatten sich die Schülerinnen und Schüler gefragt.
Die Sozialisation eines Kindes ist eine Aufgabe, die in unserer Gesellschaft vor allem die Eltern und die Schule übernehmen. Heute werden Kinder aber auch sehr stark durch die digitalen Medien beeinflusst. In welchem Umfeld werden heute Kinder überhaupt sozialisiert? Wie werden Kinder konditioniert? Welche Rolle spielen die neuen, medialen Möglichkeiten? Welche Funktion nehmen in diesem Zusammenhang die LehrerInnen und Eltern ein? Welche Auswirkungen haben medizinische Indikationen, die Verhaltensauffälligkeiten vor allem von Jungen regulieren sollen (Stichwort Ritalin)? Was denken Jugendliche über Rassismus, Beschneidung und Social Media, über Schönheitswahn und Perlenkinder?
Aber auch Gewalt gegen Kinder in Familien, Kinderarbeit für Hungerlöhne – damit wir weiterhin günstig konsumieren können – und eine Abkapselung der Kinder von der realen in die Welt der Videospiele haben die SchülerInnen eindrucksvoll aufgearbeitet. Der Fokus wurde auf wirklich skandalöse Zustände gelenkt und dabei richteten die SchülerInnen ihr Augenmerk nicht nur auf die „asozialen“ Netzwerke, sondern auch auf Themen wie Mobbing, Bodyshaming und den Hang zur Selbstinszenierung. Sie hätten die Profitgier der Pharmaindustrie aufgegriffen, ihren Blick auf Kindersoldaten und Kinderprostitution gerichtet und allgemein unsere Blicke auf die „elenden Zustände gelenkt, wie wir sie in Europa noch aus dunklen Zeiten des Manchester Kapitalismus kennen, ergänzte Andrej Keller.
Auch wir in Deutschland waren einmal ein „kleiner Tiger“ und produzierten vor allem in Schlesien Kleidung für den Weltmarkt. 1844 schrieb Heinrich Heine sein „Weberlied“ und bezog sich hier auf den Weberaufstand, der von der Obrigkeit blutig niedergeschlagen wurde. Die Weber mussten für Hungerlöhne arbeiten, Kinderarbeit war ein wesentlicher Teil der Ausbeutungsstrategie. Als dann das Bühnenstück „Die Weber“ von Gerhard Hauptmann im Jahr 1892 in Berlin uraufgeführt wurde, ging eine Welle der Anteilnahme durch die Nation. Auch Kaethe Kollwitz hatte das Stück gesehen und noch in derselben Nacht mit einem sechsteiligen Zyklus von Zeichnungen begonnen, die später Weltruhm erlangten.
Nicole Lewin griff in ihrem Bild mit dem Titel „Sie nähen und nähen“ diese historischen Ereignisse auf und wies damit auch auf die Verantwortung der Konsumenten für die katastrophalen Arbeitsbedingungen von Kindern hin. Ihr oben abgebildetes Werk prangert diese Umstände explizit an. So besitzt jedes der ausgestellten Bilder seine eigene Geschichte,
Die Ausstellung ist noch bis 15. Juli zu sehen.
Michael Kühn im Juni 2022
Weitere Fotos
Entspannung nach der Bilderhängung
Direktor Andrej Keller bei seiner Ansprache im Kreise der SchülerInnen und der Besucher der Ausstellung