24. Juni 2022 / 20:07 Uhr. Die ersten Töne.
Es donnert, es blitzt, es regnet. Wir sitzen beieinander, geschützt vor den Wetterkapriolen des Sommers, im Lesesaal der Mediothek. Der Raum atmet die Hitze des Tages. Es ist schwül-heiß. Alte Bekannte, Freunde, auch neue Gesichter sitzen im Publikum, Menschen, die eines verbindet: ein Faible für das gesprochene und gesungene Wort. Wir lauschen Sven Görtz, der sein neues Bühnenprogramm präsentiert. „Du musst dein Leben ändern“ heißt es. Pointiert fügt er Philosophisches, Gedichtetes, Songs und Anekdoten über Dichter, Songschreiber und deren Musen zu einem weltumspannenden Ganzen zusammen. „Kate Bush hat mich fasziniert, Bob Dylan, Leonard Cohen und Bob Marley“, sagt er uns zugewandt. „Viele ihrer Songs sind ursprünglich als Gedicht konzipiert gewesen und später vertont worden.“ Sven greift zur Gitarre, einer 12-saitigen Ovation im Sunburst-Design, die die Musik in einen vollen Ozean aus Klang und Rhythmus verwandeln wird. Cohen habe seine erfolgreiche Karriere als Dichter begonnen und erst dann zur Musik gefunden. Glücklicherweise, wie wir alle wissen. Sven beschwört im Verlauf seines literarischen Konzerts an diesem Abend die Kraft der Lyrik, ihre Prägnanz, ihre Halbwertzeit, und kommt selbstredend auch auf ihre politische Wirkung zu sprechen. „Masters of War“, Bob Dylans zynische Abrechnung mit den Kriegstreibern und den Kriegsprofiteuren, schallt durch den Lesesaal und beweist, wie zeitlos dieser Text im Angesicht des Ukraine-Kriegs ist. Zeitlos sind auch die Blicke des Panthers von Rainer Maria Rilke aus dem Jardin des Plantes in Paris oder die Verszeilen von Hugo von Hoffmannsthal, dem österreichischen Dichter, dessen Gedichte uns ein Jahrhundert später immer noch gefangen nehmen. Das einzige, was an diesem Abend fehlt, sind die Dichterinnen in diesem männerdominierten Kosmos der Poesie. Schade! Aber vielleicht lässt Sven Görtz diese einmal an anderer Stelle zu Wort kommen. Wer weiß. Und so verklingt Bob Dylans „It’s All Over Now, Baby Blue!“ in der gewölkten Nacht von Lollar, am Ort aller Literatur, zwischen den mächtigen Regalen der Mediothek.