Der gelernte Bankkaufmann gesteht seine Liebe fürs Schreiben. Er habe Blut geleckt, gesteht er am Rande seiner Krimilesung am 13. Mai in Lollar an der CBES ein. Außerdem käme da noch ein großes Interesse für Geschichtliches dazu. Henrich Dörmer, im Landkreis Gießen-Vogelsberg aufgewachsen und zur Schule gegangen, wirkt geerdet und ruhig. Er fühlt sich seiner Heimatregion verbunden, so sagt er gesellig und plaudert aus dem Nähkästchen seiner Inspirationen.
Auf Fahrradtouren und Wanderungen hält er Ausschau nach Schauplätzen mit historischem Hintergrund, forscht in alten Dokumenten und spinnt Fäden für seine Figuren und Handlungen. Auf diese Weise hat er es nun schon auf fünf Bücher gebracht.
Das Rad der Geschichte dreht sich und so drehen sich auch Henrich Dörmers Geschichten um die Vergangenheit, so z. B. um den alten Licher Stadtturm und Luthers Halt auf seiner Reise nach Worms, um Hügelgräber in der Steinzeit, um die Geheimnisse aufgegebener mittelhessischer Dörfer oder um die Zisterzienser in Oberhessen.
Mit seinem fünften Kriminalroman „Fehlbrand“ entführt der sympathische Mittfünfziger sein Publikum in die mittelhessische Metropole. Gießen in den Zeiten der Goldenen Zwanziger hat es ihm dieses Mal angetan. Ohne Zweifel lohnenswert, denn wann erlebt man schon eine literarische Geschichtsstunde über die Region in diesem kulturhistorischen Detailreichtum. Da war einiges an Recherche zu leisten. Vergessenes taucht im schimmernden Laternenlicht der Vergangenheit auf. Der Gießener Flughafen, „Rappmanns Colosseum“ als Vorläufer des Stadttheaters, das legendäre Lichtspielhaus am Lindenplatz, das noble „Café Ernst-Ludwig“ oder die damalige elektrische Straßenbahn. Das alles führt uns die Stadt zur Zeit der Weimarer Republik plastisch vor Augen. Glanz und Glamour kommen auf, auch Bilder von düsteren Gassen oder sozialer Armut in einem von wilden Gegensätzen brodelnden Kochtopf mit Hyper-Inflation, technischem Fortschritt und sexueller Freizügigkeit. Darin eingebettet, die Leiche, skurril, makaber, der Tote im Ringofen der Licher Tonwerke. Eben ein „Fehlbrand“, der Kommissar Rau und seinem Assistenten Fragen aufgibt. Henrich Dörmer spricht vor den Gästen über seine Recherchen, was ihn an der Arbeit an seinem Roman begeistert und was ihn ein Jahr lang an den Schreibtisch gefesselt hat.
Die Erzählkunst und die allgegenwärtige Bühnenpräsenz des Autors machen Laune. Dörmer blüht vor den Lollarer Gästen in der Mediothek regelrecht auf. Charmant-ironisch unterhält er das Publikum. In einem packenden Lesevortrag hebt und senkt er die Lautstärke. Er beherrscht das Tempo, das Timbre, das Spiel mit der Stimme und sorgt dafür, dass seine Figuren lebendig werden, nicht zuletzt auch wegen der Mundart, die er mit einem Augenzwinkern und dem nötigen Schauspieltalent präsentiert. Fazit: Dörmer ist ein echter Geheimtipp.