Das Erscheinen seines Buches sei dem Zufall geschuldet, so erklärt Christian Baron vor dem gut gefüllten Auditorium an der CBES. Es hätte mit Zeitungskolumnen angefangen, in denen er und seine Kollegen aus der Redaktion „Der Freitag“ das Thema kritischer Männlichkeit beleuchtet hätten. Er habe sich damals seinen alkoholsüchtigen Vater vorgenommen, unter dem er als Kind extrem gelitten habe, so auch die ganze Familie, die Mutter, die Geschwister. Die mediale Aufmerksamkeit ließ in ihm den Entschluss reifen, ein längeres Werk zu verfassen, das die desolaten Verhältnisse, in denen er aufgewachsen ist, deutlich werden lässt.
Christian Baron liest aus seinem autobiographischen Werk, taucht erneut in die beengte Wohnung im Kaiserslautern von damals ein, erzählt, erzählt viel von seinem Vater, der sich stolz der Arbeiterklasse zugehörig fühlte, das Geld in der Kneipe ließ und der seine schwangere Frau und die Kinder mit verbaler und physischer Gewalt überzog. Der pfälzische Zungenschlag des Tyrannen schallt aus den Buchseiten, rollt beängstigend durch den Saal. Die traumatischen Erlebnisse haben Spuren hinterlassen. Baron spricht von der Scham, die er als Kind fühlte, insbesondere gegenüber den Gleichaltrigen, die mit ihren Eltern regelmäßig in Urlaub fuhren, teure Geschenke erhielten und denen es an nichts fehlte. Er hingegen habe manchmal gehungert, weil das Haushaltsgeld vom Vater versoffen wurde. Seiner Mutter, die früh mit 32 Jahren aus dem Leben schied, hätte er gerne eine literarische Karriere gewünscht. Sie war sein Anker und sie habe ihn – wenn auch vergeblich – für das Lesen zu begeistern versucht, habe selbst Gedichte geschrieben. Der Publizist greift zu einem Ordner und gibt uns verschiedene Kostproben davon, allesamt Originale, Handschriften oder von seiner Mutter auf der Schreibmaschine getippt, dem Nachlass entnommen. Melancholie fasst ihn an, wie er sein eigenes Buch nun in Händen hält, man könnte meinen fast stellvertretend für seine Mutter, die sich immer gewünscht hatte, dass ihre Gedichte einmal zwischen Leinen gebunden veröffentlicht worden wären. Der studierte Soziologe holt aus, schlägt die Brücke von seinem Buch zur bundesdeutschen Wirklichkeit der 90er Jahre und zu unserer Gegenwart von heute. Nein, für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädiere er nicht, wäre jenes doch nur die indirekte Alimentation von Unternehmern, die, vom Staat subventioniert, wiederum Billiglöhne an die Betroffenen ausbezahlten. Viel wichtiger sei es, eine Bildungsgerechtigkeit herzustellen, Privatschulen abzuschaffen und dafür zu sorgen, dass sich in den Schulklassen Kinder aus unterschiedlichen Herkünften begegneten und gemeinsam lernten. Baron spitzt es zu: „Ein Land, das 100 Milliarden für Rüstung ausgibt, wird ja wohl ein anständiges Bildungssystem hinbekommen.“