Der Leserbrief
Was ist ein Leserbrief? In Zeiten der digitalen Übermittlung von Informationen ist er wohl eher ein Auslaufmodell. In den 70ern war er scheinbar ein probates Mittel, um seine Meinung kund zu tun. Eigentlich soll in einem Leserbrief eine schriftliche Meinungsäußerung oder eine Information zu einem bestimmten Thema erfolgen. Natürlich kann man sich zustimmend, widersprüchlich oder richtigstellend zu einer Sachlage äußern. Wie sieht aber die Realität des täglichen Internetwahnsinns aus? Aktuell pöbeln in den Foren des Internets vor allem Rechte und Neonazis, sie drohen, verunglimpfen, schüchtern ein und sie verletzen nicht nur den Anstand und die guten Sitten, sondern auch unsere Verfassung. Das war übrigens 1978 nicht anders, als die us-amerikanische Serie Holocaust in Deutschland ausgestrahlt werden sollte.
80.000 Briefe erhielt der WDR gegen die Ausstrahlung der Serie, größtenteils mit extrem radikalem Duktus und dem Tenor – die Schulddebatte müsse endlich aufhören.
Die anderen Sender der ARD weigerten sich übrigens die Serie aus den USA zu kaufen. Sie war ihnen angeblich zu trivial, man müsse die Problematik pädagogisch sinnvoll angehen und nicht auf emotionale Effekte setzen, so die Kritiker.
Das Resultat der hasserfüllten Kommentare waren dann unmittelbar vor der Ausstrahlung Bombenanschläge auf einige Fersehsendemasten. Dennoch konnte die Ausstrahlung in allen 3. Programmen zeitgleich, jeweils ab 21.00 Uhr erfolgen.
„Wehret den Anfängen“
Wenn das faschistische Gedankengut aber trotz Aufarbeitung in Schulen und Universitäten scheinbar immer noch in vielen Kreisen unserer Gesellschaft verankert ist, dann müssen wir uns fragen lassen, ob in der Aufarbeitung nicht Fehler gemacht wurden.
Die Leistungskurse der Fächer Geschichte und Kunst haben sich in einem gemeinsamen Projekt mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus auseinandergesetzt, um eine Ausstellung zu organisieren.
Begonnen hatten die Arbeiten in der Kunst- und Geschichtswerkstatt schon im letzten Semester, pandemiebedingt konnte aber erst jetzt die Premiere erfolgen.
Frau Susanne Pickenbrock-Hindges, Frau Sabine Gerbich die ehemalige und aktuelle Elternbeiratsvorsitzenden, Bürgermeister Gefeller und die Gäste Dr. Ilse und Burkhard Staudt sowie die Jugendvertreterin Caro Schmidt waren neben Direktor Andrej Keller und den Pressevertretern anwesend, als am 17.1.2022 die feierliche Präsentation mit den Gästen aus Politik und Gesellschaft erfolgte.
Im gekonnten Wechselspiel lobten Frau Pickenbrock Hindges und Frau Gerbich die Projektarbeit der SchülerInnen und erwähnten auch ihren Mut Themen aufzugreifen, die schwierig sind.
Bürgermeister Gefeller zog Vergleiche mit Impfgegnern, um auf die Unterwanderung der Szene durch rechte Gruppen hinzuweisen, die meinten, wir (sie) würden in einer Diktatur leben und die sich sogar mit dem Schicksal von Anne Frank vergleichen würden, was für einen Demokraten kaum auszuhalten ist, so Peter Gefeller.
Bürgermeister Gefeller erinnerte auch noch einmal an die vielen deutschen Bürger, die wegen ihres Glaubens, aber auch ihrer Behinderung in Konzentrationslager deportiert wurden. Er werde, so Gefeller, „jeden Morgen beim Verlassen seines Hauses durch einen Stolperstein an ein solches Schicksal erinnert“. Er bedankte sich ausdrücklich bei den SchülerInnen für ihr Engagement und lobte die Installation der Ausstellung und den intellektuellen Tiefgang der Beiträge.
Herr Direktor Keller hatte zuvor die Gäste begrüßt und einen kurzen historischen Abriss vorgenommen. „Im Westen wurde verdrängt und geleugnet, während sich im Osten des Landes die Verklärung und Leugnung in der antifaschistischen Staatsraison manifestierte“, resümierte Keller. Er lobte die SchülerInnen für ihre Recherchearbeit zur Ausstellung und ihre Auseinandersetzung mit einer ganzen Epoche, die durch „…Verleugnung, Verdrängung und Verklärung in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte das Leben vieler Menschen bestimmte – vom Heimatfilm bis zum Wirtschaftswunder“. Erst die „68er“ griffen die Fragen zur Aufarbeitung der Geschehnisse wieder auf und forderten Klarheit. Hatte Fritz Bauer, der Frankfurter Oberstaatsanwalt, noch in den 60er Jahren die ersten Auschwitz-Prozesse initiiert, so wurde in den Familien immer noch nicht redlich über die Ereignisse während des „Dritten Reiches“ gesprochen.
Die fächerübergreifende Zusammenarbeit in der Kunst- und Geschichtswerkstatt hat Früchte getragen, das Ergebnis zeigt, dass es Synergien zwischen den Fächern geben kann und gibt. Im Abspann bedankte sich Herr Keller noch einmal herzlich bei allen Beteiligten.
Daniele Lenz beschrieb zuerst die schwierige Chronologie der Arbeit in dem Projekt. Basis für die Auseinandersetzung mit der Thematik war eine sechsteilige Serie im ZDF, in der schon ein Versuch zur Aufarbeitung stattfand. Nach der Sichtung und Besprechung der Filmszenen begann die Recherche. Pandemiebedingt mussten mehrmals Termine verschoben oder abgesagt werden, dennoch erschien es uns in Anbetracht der aktuellen politischen Situation wichtig die Ergebnisse den MitschülerInnen zu präsentieren. Frau Lenz‘ Team brachte auch die Idee eines provokativen Musikvideos von Rammstein – „Deutschland“ – in die Diskussion ein. „So war zum Zeitpunkt der Überlegungen der Song „Deutschland“ mit dem zunächst als verstörend rezipierten Musikvideo der grundsätzlich selbst seit Jahren kontrovers kritisierten Band Rammstein erschienen. Was können provokante künstlerische Erzeugnisse leisten, wenn es um die Auseinandersetzung mit der noch heute Politik und Gesellschaft prägenden Zeit des Nationalsozialismus geht? Sie vermögen es, individuelle Auseinandersetzung zu befördern, die letztlich in einem kritisch-reflexiven Geschichtsbewusstsein münden kann“, meinte Daniele Lenz.
„Wenn wir unsere Kinder zu Freiheit und Verantwortung in einer mündigen Demokratie erziehen wollen, brauchen wir auch mündige Schulen, in denen der Geist der Freiheit und Verantwortung weht, so Frau Lenz zum Abschluss ihrer Rede!
Damit war die Ausstellung eröffnet…
Projektarbeit kann auch Spaß machen
Die Kunstwerkstatt
In der Kunstwerkstatt hatten wir uns gefragt, warum immer häufiger wieder gesellschaftspolitische Grenzen und Tabus überschritten beziehungsweise gebrochen werden. Das Unaussprechbare, das Undenkbare wird so wieder hoffähig und geht in den allgemeinen Sprachgebrauch und das Handeln über. Welche konkreten Grenzüberschreitungen finden aktuell eigentlich statt? Welche Auswirkungen haben diese Grenzüberschreitungen?
Im politischen Diskurs gibt es permanent wieder Tabubrüche. Die neuen Medien geben den Nutzern zwar die Möglichkeit sich anonym und in Foren über politische Ereignisse zu informieren, dass dabei häufig unredlich recherchiert wird, Verschwörungstheorien verbreitet und Hass produziert wird um die Grenzen des Rechtsstaats auszutesten oder sie gleich zu überschreiten, indem man Lügen verbreitet, ist anfänglich aber nur schwer zu durchschauen. Ein kritischerer Umgang mit dem Medium ist deshalb unabdingbar, um fake news von wahren Meldungen unterscheiden zu können.
Reden von Adolf Hitler werden auf den heutigen Zeitgeist „umgeschrieben“, abstruse rassenideologische Fantastereien werden auf Marktplätzen heraus gebrüllt, Gewalttaten verharmlost, Gründe für diese Gewalttaten gerechtfertigt, Hass geschürt, der politische Konkurrent verunglimpft…
Wir haben uns dann die Frage gestellt, inwieweit der Nationalsozialismus in Deutschland nach 1945 überhaupt aufgearbeitet wurde, die Bilder/Plakate der Schüler*innen sprechen eine eindeutige Sprache – der Staat und die Alliierten haben versagt, weil man bewusst andere Interessen verfolgte.
Bildtitel wie „Ein Staat gegen Bauer“ oder eine „Schrecklich nette Familie“ sowie „Verantwortung“ zeigen auf, dass in den unterschiedlichsten Bereichen, wie dem Rechtssystem, dem Bildungs- und Wirtschaftssystem die Verantwortlichen geschwiegen, vertuscht und verharmlost haben. Verantwortung wollte auch keiner mehr für die Taten des NS-Regimes übernehmen, eine Wiedergutmachung, soweit diese überhaupt für solche monströse Taten möglich war, wurde nur zögerlich vorgenommen oder gar nicht gewährt. Ein Trauerspiel der deutschen Geschichte, das heute seine Fortsetzung und Wiederaufführung durch die rechtspopulistischen Parteien findet.
Warum haben in Thüringen die bürgerlichen Parteien eine Grenze überschritten, die sie niemals hätten überschreiten dürfen?
Es scheint wieder ein Hauch von Weimar durch die Republik zu wehen.
Wir haben mit unseren Plakaten eindeutig Stellung bezogen und haben jetzt gemeinsam mit den Geschichtskursen der Jahrgangsstufen 12 und 13 eine Aktion in der Schule durchführt, die eine allgemeine Diskussion über die Thematik eröffnen soll.
Michael Kühn im Januar 2022
Fotos von der Premiere
Besuch der Landrätin Anita Schneider
Daniele Lenz, Landrätin Anita Schneider, Michael Kühn, Direktor Andrej Keller
Rebecca Fritz, Janne Wermter und Pia Abel
Zum Antrittsbesuch nach ihrer erneuten Wiederwahl kam die Landrätin am Donnerstag, dem 27. Januar in die Clemens-Brentano-Europaschule. Neben der Mediothek besuchte sie auch die Ausstellung in der Neuen Aula und sprach mit SchülerInnen über ihre Arbeit in der Kunst- und Geschichtswerkstatt. Die SchülerInnen Rebecca Fritz, Pia Abel und Janne Wermter empfingen die Landrätin und ihren Stab in der Neuen Aula. Bevor wir den Rundgang mit dem Video von Rammstein begannen, gab es Erklärungen zu den Zitaten, die an Bauzäune montiert über die politischen Äußerungen einiger Politiker und Wissenschaftler informierten und über die Bilder, die sich mit gesellschaftlich relevanten Gruppen beschäftigten, die bei der Aufarbeitung der NS-Zeit versagt hatten. Allgemein mündete dies in einer Diskussion über Patriotismus und Nationalismus. Frau Landrätin Schneider erklärte, dass sie immer wieder feststelle, wie interessiert gerade junge Menschen an der NS- Zeit sind. Hier liegt nun unsere gesellschaftliche Verantwortung, übrigens auch die der Schule, um eine prägende Aufarbeitung anzustoßen. Daniele Lenz ergänzte in diesem Zusammenhang, dass die Wissenschaft jetzt beginne die Geschichtsschreibung unbelasteter zu erforschen, da es kaum noch Überlebende der Gräueltaten gebe. Dennoch, es wird schwierig bleiben die starken nationalistischen Kräfte zu schwächen. Anschließend betonte Frau Landrätin Schneider noch einmal, wie wichtig die Aufarbeitung der NS-Zeit sei, damit man die aktuelle Geschichte besser verstehen könne.
Nach dem Rundgang wurde noch angeregt über das Video diskutiert.
12.00 Uhr.
Fototermin
…..und die nächste Schulklasse besucht die Ausstellung.
Weiteres Foto