– von Emilie Hanstein
Vor Dir liegt ein Buch. Es heißt „Paris le paradis“
Du öffnest es und befindest Dich auf einem großen Platz, mit Blick auf den Eiffelturm, der strahlt wie ein goldener Leuchtturm in der Nacht. Um Dich herum sind, trotz der späten Stunde, überall Menschen, die den Abend genießen. Deine Beine sind schon müde, sie sind ja immerhin auch schon die ganze Champs-Élysées hoch zum Triumphbogen gelaufen, und die ist wirklich sehr lang…so lang, dass das Erreichen des Bogens schon ein Triumph für Dich war.
Zum Glück gibt’s in Paris ja die Metro, die Dich zur Jugendherberge zurück bringt. Ein erholsamer Schlaf ist Dir trotzdem nicht vergönnt, mitten in der Nacht geht der Feueralarm los. Frierend stehst Du mit den anderen auf der Straße, doch als CBESler bist Du ja zum Glück feueralarmerprobt.
Nach einem anfänglichen Müdigkeitstief am Morgen geht es erst mal entspannt los…an den Lehrern ist die Nacht schließlich auch nicht spurlos vorbeigegangen.
Am Nachmittag trifft Dich dann der Kulturhammer in Form des Louvre. Unzählbar viele Kunstwerke und genauso viele Eindrücke. Jeder aus der Gruppe stellt eins näher vor, ja auch Du, sich davor drücken geht nicht.
Auch die Mona Lisa siehst Du jetzt mal.
Ein paar Mal verliert ihr Teile der Gruppe aber ein bisschen Schwund gibt’s halt immer.
Am Abend gehst Du mit den anderen in den kleinen Supermarkt um die Ecke, bezahlen auf Französisch will auch geübt sein. Mit den Sachen besteigst du mit letzter Kraft den Montmartre um dort Sacré Coeur von innen und außen zu bewundern und dann ein unvergleichliches Picknick hoch über Paris zu machen. Die Stadt erstreckt sich vor Dir im letzten Sonnenlicht, kein Ende in Sicht. Hinter Dir sind die weißen Kuppeln der Kirche, die wirkt wie aus einem Märchen entsprungen. Mit der Dämmerung erstrahlen nach und nach die Sehenswürdigkeiten Paris in ihrem ganz persönlichen Licht.
Etwas weiter unten spielt ein Straßenmusikant und später auch noch Dein Mitschüler oder vielleicht Du selbst.
Selten hast Du etwas Schöneres, etwas Vergleichbares erlebt. Die Leute links und rechts von dir fangen an sich mit Dir zu unterhalten und Du bist überrascht, dass französisch reden ja doch gar nicht so schwer ist. Spätestens jetzt bist Du zu einem kleinen Teil von Paris und Paris zu einem kleinen Teil von Dir geworden.
Als Du am nächsten Tag Notre-Dame besuchst, ihre Größe und Atmosphäre bewunderst, weißt Du noch nicht, dass auf den Tag genau eine Woche später diese stolze Kirche in Flammen stehen wird und lange nicht sicher ist, ob sie zu retten ist.
Nein, Du genießt ihren Anblick und keiner ahnt etwas.
Danach streifst Du noch ein bisschen in Paris herum, versuchst etwas von dem Flair aufzunehmen und, um den Dialog zu fördern, ein Kitkat gegen etwas möglichst Wertvolles möglichst oft umtauschen. Um dem Tauschpartner klar zu machen, was Du vorhast, braucht es teilweise schon etwas Phantasie und Spontanität in deinem Französisch, doch das ist nur eine kleine Herausforderung, hinter der eine weitere gemeisterte Aufgabe wartet.
Abschied nimmt man da wo man angefangen hat, zumindest ist das euer Motto. Ihr besucht also noch mal den Eiffelturm wieder am Abend doch auch wieder ganz besonders.
Du bist am Ende des Buchs angelangt und Du hast erfahren, gesehen und erlebt, dass Paris und Paradies meist wirklich nur drei Buchstaben trennen.
Und jetzt stell Dir vor, dass Buch wäre leer gewesen. Würde dann nicht in deinem Bücherregal des Lebens ein ganz besonders schillerndes, atemberaubendes und wunderschönes Buch fehlen?