Kraftvoll-würzig, mit Pflaumen- und Tabaknoten, Aromen von Brombeere, Kirsche, Unterholz, Lorbeer, Leder oder Bitterschokolade, so beschrieb der Moderator Thomas Zwerina in seiner Einführung zur Lesung die Charakteristika der Malbec-Traube, die – ursprünglich in Frankreich beheimatet – nach Argentinien auswanderte und dort eine neue Heimat fand. Der Malbec sei, so Zwerina weiter, zum argentinischen Nationalwein geworden. María Cecilia Barbetta, die in dem pulsierenden Stadtviertel Ballester in Buenos Aires aufgewachsen ist, habe den umgekehrten Weg von Südamerika nach Europa, genauer gesagt nach Berlin angetreten, wo sie seit 1996 lebt und schreibt. Nach ihrem preisgekrönten Debütroman „Änderungsschneiderei Los Milagros“ hat sie es mit dem neuen Werk „Nachtleuchten“ auf die Short-List des Deutschen Buchpreises 2018 geschafft.
Nicht minder kraftvoll wie ein tiefblauer Malbec netzte die Schriftstellerin den Gaumen des Publikums an diesem Abend mit einem vollmundigen Bouquet literarischer Aromen. Die Autorin brennt für Sprache und Literatur, das war deutlich zu spüren.
„Ich habe mich in die deutsche Grammatik verliebt“, so M.C. Barbetta verschmitzt ins Auditorium. Charmant, temporeich und verblüffend natürlich präsentierte sie sich und den vielschichtigen Romanstoff, der in einer überaus bewegten politischen Zeit in Argentinien 1974 spielt. Sie erzählt von der Schere zwischen Arm und Reich in der Klosterschule von Santa Anna, von der jungen Nonne Maria, deren Schwester als Revolutionärin im Untergrund lebt oder von den Einschüchterungen, die das im Stadtviertel Ballester erscheinende Lokalblatt zu erleiden hat. Zwischendurch streut sie Hintergrundinformationen zur Geschichte und Politik Argentiniens und sorgt mit skurrilen Anekdoten für das Comic Relief inmitten allen Ernstes, dabei immer die nötige Balance vor Augen.
Am Ende des Abends waren sich alle darüber einig, einer unheimlich sympathischen und unprätentiösen Literatin in einem temperamentvollen Lesevortrag begegnet zu sein, so geschehen in dem beschaulichen Lollar. (Foto: Heiner Schultz)